Liebe Freunde und Bekannte,
wir haben unser erstes Kind aufgenommen, und es war wieder eine sehr interessante Geschichte, wie es dazu kam. Aber alles der Reihe nach.
Am 16. Dezember 2000 flogen Mirko und Horst nach Deutschland. Horst hatte noch einige Zahnarzttermine zu erledigen, bevor wir das Weihnachtsfest endlich gemeinsam als Familie feiern konnten. Da wir diesmal keinen Container packen mussten, hatten wir als Familie eine ruhige Zeit in Deutschland, was wirklich schön war. Kalla hatte nach ihrer Gallenoperation keine negativen Nachwirkungen und konnte wieder alles essen wie früher.
Die Verantwortung für unsere Häuser übergaben wir während unserer Zeit in Deutschland an Njamaa für den Baubereich und an Ganbat für die allgemeinen Aufgaben. Da im vergangenen Jahr alles gut geklappt hatte, konnten wir entspannt in den Heimaturlaub fahren.
Ende Januar erreichte uns jedoch die Nachricht, dass es in der Mongolei drunter und drüber ging. Unsere Mitarbeiter Ganbat und Bormaa hatten zu Neujahr plötzlich Schaar Hooloi verlassen und waren in die Stadt zurückgekehrt. Unser ruhiger Heimaturlaub war damit vorbei, und wir rechneten mit dem Schlimmsten. Anfang Februar wollten wir zurückfliegen, aber wegen einer anstehenden Vereinssitzung mussten wir den Rückflug bis Mitte Februar verschieben. Als wir dann am 13. Februar in Schaar Hooloi ankamen, stellte sich heraus, dass die Situation nicht so katastrophal war, wie befürchtet. Jemand im Dorf hatte Ganbat Lügengeschichten erzählt, und er hatte diese geglaubt, ohne sie zu überprüfen. Als Ganbat und Bormaa dann eine Einladung zur Neujahrsfeier im Dorf ablehnten und sich stattdessen im Haus versteckten, fand Njamaa sie zitternd vor Angst vor, da sie befürchteten, die Dorfbewohner könnten sie verprügeln. Prügeleien nach Feierlichkeiten sind in der Mongolei leider nicht selten. So hatten sie alles dem Schicksal überlassen und Schaar Hooloi fluchtartig verlassen.
Es wurde uns klar, dass sich Stadtmongolen und Landmongolen oft nicht gut vertragen. Stadtbewohner, die meist mehr Bildung haben, neigen dazu, sich für etwas „Besseres“ zu halten, was bei den Landbewohnern schnell zu Spannungen führen kann. Wir erkannten, dass wir Ganbat keine Verantwortung mehr auf dem Land übertragen konnten. Es dauerte Wochen, bis wir alles geklärt hatten. Wir sprachen mit Ganbat und Bormaa und gaben ihnen eine zweite Chance. Sie kehrten ins Dorf zurück, Entschuldigungen wurden ausgetauscht, und es schien alles wieder in Ordnung zu sein.
Zu diesem Zeitpunkt erreichte uns jedoch ein Notruf. Eine 21-jährige Mutter, die ohne Einkommen oder Unterstützung von Verwandten war, sah sich gezwungen ihr sechs Monate altes Baby in ein Waisenhaus geben. Sie hatte nicht einmal genug Geld für Schnürbänder für ihre Schuhe. Als wir in die Stadt fuhren, um die Sorgerechtsformalitäten bei einer Anwältin zu regeln, musste sie sich bei einer Nachbarin Schuhe leihen. So haben wir am 21. März das kleine Mädchen „Inche“ zu uns aufgenommen.
Für unsere Mitarbeiter sollte dies eigentlich das erste Kind sein, doch es kam ganz anders. Nur zwei Tage nach der Aufnahme entstand eine schwierige Situation, sodass wir uns entschieden, Ganbat und Bormaa doch wieder in die Stadt zu bringen. Ganbat kümmert sich jetzt um Behördengänge, aber als Kinderbetreuer und -erzieher sind sie für uns nicht tragbar. Oft fragen wir uns, warum Gott uns das nicht früher gezeigt hat.
Jetzt sind wir die Pflegeeltern von Inche, was für uns eine große Herausforderung und eine Umstellung des Tagesablaufs bedeutet. Inche ist ein sehr pflegeleichtes und niedliches Mädchen, und wir haben sie alle sehr lieb. Die Mongolen beobachten natürlich sehr interessiert, wie Europäer mit einem mongolischen Baby umgehen.
Mit unserer Mitarbeiterschaft beginnen wir nun wieder bei null. Wir sind gespannt, wie Gott alles weiterführt. Eine 51-jährige mongolische Ärztin hat ihr Interesse bekundet, bei uns mitzuarbeiten, aber ein klares Ja haben wir noch nicht erhalten.
Der Winter zog sich in diesem Jahr sehr lange hin, obwohl wir schon im April einige heiße Tage hatten. Erst heute, am 21. Mai, konnten wir Bäume aus dem Wald holen, um sie auf unserem Grundstück zu pflanzen. Letzte Woche war der Boden noch bis 5 cm Tiefe gefroren.
Liebe Grüße,
Horst, Kalla und Mirko