Liebe Freunde und Bekannte,
mit Gottes Hilfe haben wir es geschafft! Wir sitzen nun in unserem Wohnzimmer, das angenehm auf 20 Grad geheizt ist – draußen herrschen im Schatten -30 Grad, während auf der Fensterbank in der Sonne immerhin 12 Grad gemessen werden.
Nach vielen Herausforderungen konnten wir am 1. November 1999 endlich in unser neues Haus einziehen. Doch der Weg dorthin war alles andere als einfach. Ich (Horst) war ja bereits im Sommer aus dem Heimaturlaub zurückgekehrt, um das Haus für Kalla und Mirko bezugsfertig zu machen. Als sie im September nachkamen, erwartete sie jedoch kein fertiges Heim, sondern ein ziemliches Chaos…
Während in Deutschland noch milde Temperaturen herrschten, war in der Mongolei bereits der erste Schnee gefallen. Die Heizung war nicht in Betrieb, und wir mussten jeden Morgen den Holzofen anfeuern. Große Erleichterung brachte erst der Kauf von Kohle. Aber auch der Brunnen war noch nicht nutzbar, sodass wir Wasser aus einem 500 Meter entfernten Fluss holen mussten – eine harte Lebenssituation und ab und zu flossen auch mal Tränen.
Der Grund für die Verzögerungen lag in der mangelnden Zuverlässigkeit der mongolischen Bauarbeiter. Von der ursprünglichen Truppe blieben nur zwei, während die neuen Arbeiter oft betrunken waren und in diesem Zustand schlecht oder gar nicht arbeiteten. Wände wurden schief gemauert, und die Putzarbeiten waren eine Katastrophe. Schnell war klar, dass das Haus mit diesem Team vor dem Wintereinbruch nicht fertig würde. Anfang Oktober trennten wir uns daher von dem Bauunternehmer und seiner Mannschaft. Ich musste dann die Bauleitung übernehmen.
Gott sei Dank trafen wir im September Njamaa, einen deutschsprachigen mongolischen Handwerker, der sich als große Hilfe erwies. Zusammen mit ihm und einigen Dorfbewohnern bildeten wir ein neues Team, das die Arbeit mit großem Einsatz fortführte. Angesichts des nahenden Winters arbeiteten alle Tag und Nacht – manchmal auch sonntags. Im Dorf gewannen wir zunehmend Ansehen, da wir die einzigen Arbeitgeber waren und vor allem Familienväter einstellten, um den Menschen, die oft am Existenzminimum leben, zu helfen.
Die Bauzeit brachte auch kuriose kleine Zwischenfälle mit sich. Ein ehemaliger Arbeiter der ersten Truppe stahl eine alte Bohrmaschine, 200 Meter Kabel und später sogar Kohle. Er war jedoch nicht sehr geschickt – die Spur führte direkt zu seiner Hascha. Ein anderes Mal wurde unser Strom abgestellt, weil der Bauunternehmer die Leitung illegal angeschlossen und einen Zähler eingebaut hatte, der rückwärts lief. Nach langen Verhandlungen konnte Njamaa das Problem lösen, und wir klärten die Angelegenheit in der Stadt. Ohne Strom wären wir aufgeschmissen gewesen, da Heizung und Brunnenpumpe ohne Elektrizität nicht funktionieren.
Auch mit dem örtlichen Ranger hatten wir anfangs Probleme. Betrunken und unnachgiebig forderte er die Genehmigung für unsere Baugrube. Da er in diesem Zustand nicht zu überzeugen war, ignorierten wir ihn zunächst – was dazu führte, dass er Njamaa kurzzeitig verhaften ließ. Heute ist unser Verhältnis gut, nicht zuletzt, weil Njamaa dem Ranger bei einer Autoreparatur half. Mittlerweile erhalten wir problemlos Genehmigungen, etwa für Holz aus dem Wald, das wir für unseren Zaun nutzen konnten.
Unser Grundstück haben wir von 1.650 auf 2.740 Quadratmeter erweitert. Derzeit arbeiten vier Männer an der Grundstücksabgrenzung, dem Setzen des Zauns und dem Bau eines Tores.
Um die Bedürfnisse der Kinder besser zu verstehen, besuchten wir zwei städtische Kinderheime. Die Situation dort war erschütternd: Es fehlt an allem – geschultem Personal, ausreichender Versorgung und kindgerechter Betreuung. In einem Heim schien es, als sei das Ziel lediglich, die Kinder am Leben zu halten. Die Atmosphäre war eher die eines Gefängnisses – mit Polizei am Eingang, die weder ein noch aus ließ. Diese Besuche bestätigten uns erneut, wie dringend die Waisenkinder in der Mongolei ein liebevolles Zuhause, ein „Familienzuhause“ brauchen.
Unsere ursprüngliche Idee, für jede Familie ein eigenes Ger-Haus zu bauen, haben wir angepasst. Stattdessen erwies sich ein vergrößertes dreiteiliges Ger-Haus als ideal für zwei Familien. Diese Bauweise bietet genügend Platz für Heizung, Bad und Toilette, ohne die mongolische Architektur zu vernachlässigen. Die Dorfbewohner sind von diesem Konzept begeistert, da es sich harmonisch in die Landschaft einfügt. Für das Frühjahr 2000 planen wir den Rohbau.
Unser Engagement für die Dorfbewohner hat uns geholfen Teil der Gemeinschaft zu werden. Wir halfen bereits mehrfach bei Krankentransporten ins 30 Kilometer entfernte Krankenhaus – etwa bei zwei Knochenbrüchen, einer Gallenkolik und einem Blinddarmdurchbruch. Anfangs hielten uns die Dorfbewohner wegen eines Blutdruckmessgeräts für Ärzte, was wir schnell aufklärten. Wir haben jedoch durch unsere eigenen vier Kinder, diverse Fachliteratur und deutsches Allgemeinwissen viel über Krankheiten gelernt und können dieses Wissen weitergeben.
Inzwischen fühlen wir uns im Dorfleben gut aufgenommen und hoffen, dass sich diese Beziehungen im Frühjahr weiter vertiefen, wenn das Leben sich wieder mehr im Freien abspielt.
Herzliche Grüße aus der Mongolei,
Horst, Kalla und Mirko